Kann man sich überhaupt selbst behandeln?

Triggerpunkte Schmerzmuster des M. soleus

Diese Frage wird mir in der Praxis immer wieder gestellt und sie erscheint auf den ersten Blick tatsächlich berechtigt. Bevor ich darauf antworte, möchte ich Ihnen einen Vorfall schildern:

Ich bin ein sportlich aktiver Mensch und mache zwei Mal in der Woche einen Waldlauf. Für mich ist das eine gute Möglichkeit, das Herz-Kreislaufsystem zu trainieren und dabei in der Natur zu sein. Vor einigen Jahren, es war im Herbst, machte ich während eines Laufes einen Fehltritt, weil ich eine Wurzel unter einem Laubhaufen übersehen habe. Sofort schoss mir ein intensiver Schmerz in die rechte Wade ein. Ich blieb stehen, massierte die Wade, versuchte weiterzulaufen und merkte ziemlich bald, dass es unmöglich war und ich abbrechen musste. Jeder Schritt tat intensiv weh. Frustriert humpelte ich nach Hause. Nach einer heißen Dusche tastete ich die Wade ab und fand einen verhärteten Strang im Musculus soleus.

Ich fing an, ihn zu behandeln. Und ich wiederholte einige kurze Behandlungseinheiten an diesem Tag. Denn ich wollte am nächsten Morgen wieder fit für die Praxis sein. Diese Selbstbehandlung war schmerzhaft, aber ich wusste, dass ich das Richtige tat, und hielt den Schmerz aus. Die letzte Einheit meiner Selbstbehandlung machte ich am Abend vor dem Schlafen.

Am nächsten Morgen war die Verhärtung in meiner Wade noch nicht weg, aber sie hatte nicht mehr den gleichen Härtegrad wie am Vortag. Der Schmerz hatte sich etwas reduziert und ich war in der Lage, meine Praxisarbeit auszuführen. Treppensteigen war noch besonders schmerzhaft. Ich ließ mir dabei Zeit. In meinen Pausen wiederholte ich die Selbstbehandlung, sodass ich an diesem Tag sechs kurze Einheiten absolvieren konnte. Keine dauerte länger als eine Minute.

Am folgenden Morgen waren meine Schmerzen schon deutlich reduzierter. Auf der Ebene konnte ich normal gehen. Beim Treppensteigen verspürte ich noch einen gewissen Schmerz, aber er war nicht mehr mit dem Schmerz vom Vortag zu vergleichen. Ich blieb dran. Mit dem Wissen, das Richtige zu tun, behandelte ich meine Wade noch so lange weiter, bis auch beim Treppensteigen nichts mehr zu spüren war. Sechs Tage später habe ich einen Probelauf absolviert und konnte wieder schmerzfrei durch den Wald laufen.

Ich war verblüfft, wie unkompliziert die Regeneration ablief, und fragte mich, warum bei manchen meiner Patienten der Heilungsverlauf so langwierig war. Warum manche Menschen unter immer wiederkehrenden Schmerzen in den Waden oder den Achillissehnen litten. Warum manche meiner Patienten ihre sportlichen Aktivitäten beenden mussten, weil sich z. B. ein Fersensporn gebildet hat oder ein Muskelfaserriss entstanden ist. Dabei war für mich der Weg zur Genesung einfach.

Was habe ich getan?

Zunächst habe ich den Lauf eingestellt und damit die Schmerzquelle ausgeschaltet. Dann habe ich sehr zügig mit der Selbstbehandlung begonnen. Das Problem wurde also nicht verschleppt. Ich habe mich konsequent behandelt und weitergemacht, nachdem eine Besserung eingetreten ist. Ich hatte die Überzeugung das Richtige zu tun. Das half mir, innerlich gelassen zu bleiben.

Nach diesem Erlebnis wurde es zu meinem Bestreben, die Fähigkeiten zur Selbstbehandlung an meine Patienten weiterzugeben. In der täglichen Praxisarbeit stieß ich jedoch an meine Grenzen. Unsere Gesundheitspolitik schreibt uns Behandlungszeiten vor, die unzureichend sind. Es ist nicht möglich, alle Informationen für eine gute Selbstbehandlung in einem kurzen Gespräch unterzukriegen.

Schmerzmuster des M. soleus

Rechts das Schmerzmuster des Musculus soleus. Der Muskel selbst befindet sich unterhalb des zweiköpfigen Wadenmuskels.

Ich empfahl meinen Patienten das Arbeitsbuch von Clair und Amber Davies, nachdem ich es selbst durchgearbeitet hatte. Doch ich stellte fest, dass die meisten von ihnen verunsichert waren. Sie waren sich nicht sicher, ob sie an der richtigen Stelle und mit der richtigen Intensität behandelten. Sie waren verwirrt von widersprüchlichen Informationen aus Medien oder von Medizinern, die noch nie etwas über myofasziale Triggerpunkte gehört haben. Viele hatten auch unrealistische Vorstellungen, wie lange sie die Selbstbehandlung durchführen sollten. Und aus diesen Gründen brachen die meisten von ihnen die Selbstbehandlung viel zu früh ab.

So beschloss ich, Selbstbehandlungsseminare in meiner Praxis anzubieten, damit Patienten in einem geschützten Rahmen all das erlernen konnten, was für eine effektive Selbstbehandlung notwendig war. Die Erfahrungen aus den Seminaren haben mir gezeigt, dass ein gut geschulter Patient sich mit ein wenig Durchhaltevermögen auch von langwierigen Schmerzen befreien kann.

 

Und nun möchte ich auf die ursprüngliche Frage zurückkommen:

Ist es möglich, sich selbst zu behandeln?

Ja!

Die Selbstbehandlung ist in den meisten Fällen nicht nur möglich, sie ist sogar notwendig. In Zeiten von explodierenden Gesundheitskosten und Kürzungen im Gesundheitswesen wird es erforderlich sein, Selbstverantwortung zu übernehmen und Experte für seinen eigenen Körper zu werden.

Die Vorteile der Selbstbehandlung liegen auf der Hand:

  • Sie ist kostengünstig und jederzeit durchführbar
  • Sie macht unabhängig von Ärzten und Therapeuten
  • Sie ist schnell einsatzbereit und aktiviert körpereigene Regenerationsmechanismen

 

  • Lassen Sie sich nicht einreden, dass Sie mit Schmerzen leben müssen.

  • Lassen Sie sich nicht einreden, dass Schmerzen zum Älterwerden dazugehören.

  • Lassen Sie sich nicht einreden, dass die Wirbelsäule Schuld an all Ihren Beschwerden ist.

Machen Sie den ersten Schritt.
Gehen Sie aktiv gegen Schmerzen vor.

In den kommenden Beiträgen werde ich Ihnen anhand einiger Beispiele aufzeigen, wie andere Betroffene sich erfolgreich selbst therapiert haben. Ich werde Ihnen erklären, wo die meisten myofaszialen Triggerpunkte im Körper zu finden sind. Welche Beschwerden sie auslösen können. Und wie Sie sie in den Griff bekommen.

Bleiben Sie interessiert.